Fassadenkunst in Berlin – mehr als nur Graffiti

Fassadenkunst ist mehr als nur einfaches Graffiti. Es sind keine mal mehr mal weniger bunten Schriftzüge an den Mauern Berlins, sondern durchdachte und oft tiefgründige Wandbilder, welche die trostlose Ansicht der Bauten etwas auflockern sollen.

Das erste Wandbild in Berlin wurde von Ben Wagnis entworfen und nennt sich „Weltbaum – Grün ist Leben“. Seit 1975 ziert es ein Gebäude in der Bachstraße, an der Ecke Siegmunds Hof. Bis 2006 folgten diesem ersten Bild zahlreiche weitere Kunstwerke in dieser Form. Nicht alle überdauerten diesen Zeitraum, denn die Lebensdauer eines Wandbildes beläuft sich im Durchschnitt nur auf etwa 15 bis maximal 20 Jahre.

Auch wenn die Wandbilder und andere Fassadenkunst erst in den 70er Jahren ihren Weg nach Deutschland fanden, so sehen sie doch auf eine bedeutend längere Geschichte zurück. Wandmalerei gab es bereits in der Eiszeit, wie verschiedene Höhlenmalereien belegen.

1972 entstand dann das erste Wandbild in Bremen und mit seinem Weltbaum in der Bachstraße zog Berlin 1975 nach. Viele der Fassadenbilder dieser Zeit entstanden durch Wettbewerbe und andere Programme des Berliner Senats. „Kunst am Bau“ oder auch „Farbe im Stadtbild“ sind nur zwei der Projekte der damaligen Zeit. Da die Fassadenkunst ohne Zensur dem öffentlichen Raum zugänglich war, wurde sie gern auch für Proteste genutzt. Große Impulse kamen daher auch aus der Hausbesetzerszene in Berlin. Sie nutzten die Fassaden für Wandbilder mit einem klaren Protest gegen aktuelle Geschehnisse. Diese sorgten teils für sehr heftige Reaktionen auf den Berliner Straßen und machten die Fassadenkunst immer wieder zum Thema in den Medien.

Viele der Bilder aus diesem Bereich haben die Zeit allerdings nicht überstanden. Die Ursache liegt insbesondere am fehlenden Denkmalschutz für die Wandbilder, welcher das Entfernen trotz der Proteste seitens der Bevölkerung verhindert hätte. Auch im 21. Jahrhundert ist die Fassadenkunst unabhängig von ihrer Qualität nicht geschützt und kann bei Sanierungen oder auch durch weitere Bauten zerstört oder gar komplett entfernt werden.
Nicht alle Bilder können und sollen erhalten bleiben, so die Meinung der Politik. In der Uhlandstraße verschwindet aktuell eines der bekanntesten Wandbilder Berlins. Eine große Sanierung steht an. Der Komplex wird zu Bürogebäuden umgebaut, da ist ganz einfach kein Platz für ein Wandbild, das den Kapitalismus thematisiert.

Künstlerische Freiheit in der Fassadenkunst Berlins

Fassadenkunst greift seit jeher aktuelle Themen auf und polarisiert. Daraus ergibt sich unweigerlich auch die Frage, wie weit die Freiheit des Künstlers bei diesen weit sichtbaren Wandbildern gehen darf und soll. Erst im Juni 2016 hat ein Künstler auf einem Gebäude in Tegel die Flüchtlingskrise thematisiert. Das Bild ist insgesamt 42 Meter hoch und befindet sich in der direkten Nachbarschaft eines Kindergartens. Damit sorgt es für Diskussionen und teils auch Unverständnis, da Gewalt und Grausamkeit hier ohne Tabu dargestellt werden.
Dennoch: Das Bild ist im Auftrag einer Wohnungsbaugesellschaft entstanden und Teil eines größeren Projektes. Den Künstlern werden dabei keine Grenzen gesetzt, solange ethische Grundsätze nicht verletzt werden. Auch weiterhin werden Städte durch Projekte wie „Bunt am Bau“ farbenfroher.

Ein ganz anderes Wandbild befindet sich dagegen an der Frankfurter Allee. Es ist das größte Bild Berlins und hat dem Künstler bereits zahlreiche positive Rückmeldungen eingebracht. Die Straße führt ins Zentrum der Stadt, entsprechend viele Menschen fahren jeden Tag an dem Bild vorbei. Es ist bunt, fröhlich und sorgt für gute Laune – egal wie der Tag aussieht. Das begeistert Passanten und verbessert nach Ansicht des Künstlers die Lebensqualität vor Ort. Als kleiner Junge kannte er das Gebiet und hat vor allem die Trostlosigkeit der Bauten in Erinnerung. Mit der Fassadenkunst wird das graue Alltagsbild unterbrochen und wieder etwas mehr Licht zwischen die Wohnkomplexe gebracht.